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Versteht die Diskussionen um seine Person nicht: Harald Strutz, Präsident von Mainz 05.
Foto: imago/Jan Huebner
Vor dem Europa League Auftakt der Mainzer verteidigt sich ihr in die Kritik geratene Präsident mit schwachen Argumenten.
Das funktioniert, weil die Opposition noch schwächer argumentiert.
Am Ende des Abends ging Harald Strutz zwar nicht als Triumphator, aber doch als zufriedener Mann in eine kurze Nacht. Die endete für den Präsidenten des FSV Mainz 05 früh, denn schon am Mittwochmorgen startete am Frankfurter Flughafen eine Chartermaschine nach Baku, um die Fußballmannschaft und deren Begleiter zum am heutigen Donnerstag (17 Uhr) anstehenden Spiel der Europa League gegen den FK Qäbälä zu bringen. Geht es nach dem 65-Jährigen, dann wird er auch im Alter von dann bald 70 Jahren noch Präsident des Bundesligisten sein. Für diesen, offiziell ehrenamtlichen, Job hatte er zuletzt 9000 Euro monatliche Aufwandsentschädigung sowie 14 000 Euro Honorar als anwaltlicher Berater kassiert. Ebenfalls monatlich. Zahlungen in einer Größenordnung, von denen Mitglieder und Fans erst erfuhren, nach dem die Mainzer „Allgemeine Zeitung“ sie im Januar öffentlich gemacht hatte.
Strutz verteidigte sich am Dienstagabend bei der von fast 800 stimmberechtigten Mitgliedern besuchten Jahreshauptversammlung vehement, aber nicht sonderlich selbstkritisch. Ja, es habe an der nötigen Transparenz gefehlt, räumte er ein, überzeugend klang das nicht. Vielmehr fand er es merkwürdig, sich „für mein Tun und Handeln rechtfertigen zu müssen“. Ein eigentümliches Rechtsverständnis für einen Juristen, der als Präsident des Klubs schon im Jahr 2006 gewissermaßen mit sich selbst einen Beratervertrag geschlossen hatte, von dem die Öffentlichkeit bis Januar 2016 nichts wusste. Anfangs war dieser Vertrag laut Strutz mit 6000 Euro pro Monat dotiert, zwischen 2011 und 2014 mit 10 000 Euro, seitdem mit 14 000 Euro zusätzlich zur Aufwandsentschädigung von 9000 Euro.
Der seit 28 Jahren in Diensten von Mainz 05 stehende Strutz erklärte wortreich, welch hoher Aufwand mit den vielen Aufgaben verbunden sei, inklusive der repräsentativen Aufgaben Wochenende für Wochenende in den Bundesligastadien dieses Landes. Jeden Montag finde zudem eine Vorstandssitzung statt, vier Stunden lang, „wir essen da nichts und trinken da nichts. Das tun wir erst hinterher“. Hinzu kämen Vorträge, etwa im Rotary Club, sowie Medientermine, „es ist nicht immer nur Scampi essen“. Mit dem Ergebnis, dass „kein Verein in der Bundesliga“ es geschafft habe, „ohne Hilfe von Investoren eine solche Erfolgsgeschichte zu schreiben“ und deshalb eine „fantastische Gegenwart“ erlebe
Schwächen der Infrastruktur
Es ist eine Gegenwart, in der Mainz 05 bei einem Rekordumsatz von 104,8 Millionen Euro einen Gewinn nach Steuern von rund vier Millionen Euro und somit ein auf 24 Millionen Euro gestiegenes Eigenkapital ausweist. Top-Werte weit über Bundesligaschnitt also nicht nur im Sportlichen, für die auch Strutz mitverantwortlich ist, vor allem aber der zu Schalke 04 abgewanderte Manager Christian Heidel. Dessen kluge Aktivitäten bescherten dem Verein in der abgelaufenen Saison stolze 33,3 Millionen Euro Transfereinnahmen.
Was die Zukunft angeht, so sieht sich Strutz selbstbewusst weiter in zentraler Rolle: „Ich werde nicht zum Grüß-Gott-August des Vereins. Ich möchte Teil einer neuen Entwicklung bei Mainz 05 werden.“ Acht bis zehn Stunden im Büro sieht der Freizeit-Rockmusiker sich freilich auch nicht sitzen, irgendwas zwischen Grüß-Gott-August und Bürohengst soll es also sein. Angesichts einer Opposition, die sich am Dienstag argumentativ noch schwächer präsentierte als der Präsident selbst, dürfte diesem Ansinnen bei den nächsten Wahlen entsprochen werden. In welcher Höhe Strutz dann bezahlt werden könnte, soll ein Aufsichtsrat entscheiden. Ein solches Gremium gibt es bei Mainz 05 bislang nicht. Strutz und seine Vorstandskollegen, die sich für ihren Einsatz mit monatlich je 2000 Euro belohnen, wurden am Dienstag bei zwölf Gegenstimmen und acht Enthaltungen im Block entlastet. Auffällig, dass der Sohn von Ex-Manager Christian Heidel zuvor erfolglos gegen diese Block-Entlastung gestimmt hatte und das Votum der Mitglieder heftig kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm. Wer es vorher nicht wusste, konnte es da sehen: Es ist kein Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Strutz und Heidel zerrüttet ist. Der Präsident und der Manager hatten sich schon lange nicht mehr viel zu sagen. Heidel hält Strutz nicht für den geeigneten Mann, um Mainz 05 operativ zu führen. Strutz seinerseits überraschte die Mitglieder am Dienstag mit der Aussage, er habe ursprünglich geplant, dass Heidel eines Tages sein Nachfolger wird.
Für die plangemäß letzten drei Jahre seiner Amtszeit schrieb der neue Sportchef Rouven Schröder dem Präsidenten eine zentrale strategische Aufgabe ins Stammbuch: „Die Infrastruktur hängt hinten dran. Wir müssen darauf achten, dass wir die Einnahmen nicht nur in Spieler stecken, sondern auch in Infrastruktur.“ Trainingsplätze für erste und zweite Mannschaft seien nicht ausreichend vorhanden, die Verhältnisse im Kabinentrakt verbesserungswürdig. Wenn ein großer Spieler in Mainz vorstellig würde, würde er sagen: „Wie sieht es denn hier aus?“ Dieser Eindruck gilt derzeit nicht nur für die Katakomben des Trainingszentrums, sondern für den vermeintlichen Vorzeigeverein im Ganzen.